Von den besonderen Herausforderungen von
Familie und Unternehmen

Von den besonderen Herausforderungen von<br>Familie und Unternehmen Prof. Dr. Arnold Weissman
Prof. Dr. Arnold Weissman

Deutschland ist ein Land der Familienunternehmen: rund zweieinhalb Millionen gibt es von diesen Unternehmen, die – gleich welcher Größenordnung oder Branche – von einer kleinen Gruppe von Eigentümern, der „Familie“, maßgeblich geprägt werden und meist ein Familienmitglied in der Geschäftsführung haben. (Quelle: Stiftung Familienunternehmen) In der Regel befinden sich auch mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile in der Hand der Eigentümerfamilie.

Eine große Zahl. Noch beeindruckender ist, dass die 1.000 größten Familienunternehmen rund 1,67 Billionen Euro Umsatz repräsentieren. Alleine 229 von ihnen sind „Umsatzmilliardäre“ und zusammen schaffen sie über sieben Millionen Arbeitsplätze im In- und Ausland. (Quelle: Die Deutsche Wirtschaft, http://die-deutsche-wirtschaft.de/die-liste-der-1000-groessten-familienunternehmen-in-deutschland/). Familienunternehmen sind das Herzstück unserer Gesellschaft.

Was macht sie so erfolgreich? Im Vergleich zu börsennotierten Großkonzernen denken Familienunternehmer nicht in Quartalen, sondern in Generationen. Kurzfristige Gewinnmaximierung als höchste Priorität und „nach mir die Sintflut“ können sich Familienunternehmer nicht erlauben, wenn sie das Unternehmensvermögen des Unternehmens langfristig mehren, es erhalten und an einen Nachfolger weitergeben wollen. Während der Eigentümer eines Familienunternehmens dieser Verantwortung, die oft auch mit seinem Familiennamen in direkter Verbindung steht, gerecht werden will und meist ein ausgeprägtes Wertesystem hat, das auf besonderen Traditionen beruht, treten bei Konzernen angestellte Manager die Führung an, die nur beschränkt haften, wenn sie Projekte in den Sand setzen. Im Gegenteil – oft genug winken bei einer „Trennung im gegenseitigen Einvernehmen“ auch noch hohe Abfindungen in Millionenhöhe, wie es bei der Deutschen Bank oder Siemens Usus ist.

 

Wechselbeziehung der Systeme „Familie“ und „Unternehmen“

In Familienunternehmen treffen zwei Systeme aufeinander, die nach unterschiedlichen Regeln funktionieren: während das System „Familie“ als emotionale Werte die Unabhängigkeit der Familie, die persönliche Entwicklung sowie Freude am Tun in sich trägt, stehen im System „Unternehmen“ die rationalen Werte Rendite, Risiko, Wachstum im Vordergrund.

Diese besondere Spannung muss man als Familienunternehmer lernen auszuhalten um sie für den Unternehmenserfolg strategisch nutzen zu können. Denn eine Familienunternehmen-Harmonie entsteht erst, wenn die Werte der Familie mit den Werten des Unternehmens abgestimmt sind und Konflikte über Werte, Ziele und Rollen vorausschauend in Angriff genommen werden.

Schwer wiegt dabei die wachsende Zersplitterungsproblematik in Familienunternehmen. Der Gründer ist ein Alleinherrscher, der Nachfolger muss sich, wenn er kein Einzelkind ist, die Führung mit Geschwistern teilen und in der dritten Generation kann schon eine Vetterngesellschaft mit zweistelliger Personenanzahl an der Spitze stehen. Mit der wachsenden Zahl der Gesellschafter wachsen oftmals Divergenz der Interessen und Ansprüche, manchmal auch die örtliche oder ideelle Entfernung vom Unternehmen und voneinander. 

Wird ein aktiv im Unternehmen arbeitendes Familienmitglied emotional oder leistungsbezogen beurteilt? Findet eine Entlohnung nach Maßgabe der individuellen Bedürfnisse statt oder richtet sich das Entgelt nach Maßgabe des Arbeitsmarktes, der erzielten Ergebnisse und des Leistungspotenzials? Werden Veränderungen als Risiko oder als Chance gesehen? Wenn die Interessenslagen unterschiedlich sind, steht das Familienunternehmen immer im folgenden Konflikt: Family first oder Business first?

Die besondere Verbindung von Liebe, Geld und Macht in einem Familienunternehmen birgt einige Ursachen für Rollenkonflikte. Rivalitäten zwischen Generationen, Geschwistern oder tätigen und nicht-tätigen Familienmitgliedern können entstehen.

Konflikte entstehen vor allem, wenn die familiären und unternehmerischen Rollen verwechselt werden, wenn Gefühle der Ungerechtigkeit, Machtlosigkeit oder mangelnder Anerkennung entstehen und unausgesprochen bleiben. Der sogenannte NEM-Virus (Neid, Eifersucht, Missgunst) kann sich dann immer weiter ausbreiten und greift schließlich den Familienfrieden und somit das Unternehmen an. Um dem entgegenzuwirken muss man nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Familie professionell managen.

 

Risiko: Generationswechsel

Familienunternehmen nehmen die Werteorientierung nicht um jeden Preis in Kauf und werden daher oft relativ besser geführt als Großkonzerne, bei denen die Führungsspanne im Durchschnitt nur sechs Jahre beträgt. Nichtsdestotrotz beträgt das durchschnittliche Alter von Familienunternehmen in Deutschland gerade einmal 24 Jahre. Schätzungen zufolge scheitern Familienunternehmen nämlich zu 30 % am Generationenwechsel und so befindet sich lediglich jedes 20. Unternehmen in der dritten Generation noch in Familienbesitz (Quelle: Fleschutz, (2008); IfM Bonn (2013). Das älteste Familienunternehmen der Welt, das Hotel Hoshi Ryokan in Japan, ist übrigens schon mehr als 1.300 Jahre alt und wird mittlerweile schon in der 46. Generation geführt. Dies muss nicht der Anspruch eines jeden deutschen Familienunternehmens sein, aber ein paar solide Jahrzehnte dürfen es dann schon sein.

Damit ein Familienunternehmen gerade in volatilen Zeiten wie den unseren optimal für die Zukunft aufgestellt ist, muss „das Haus“ bestellt werden. Die strategischen Aufgaben, die stabil auf dem Fundament aus Werten der Eigentümerfamilie stehen, lassen sich in die vier Themenbereiche Strategie, Organisation, Führung/Mitarbeiter sowie Familie unterteilen. Diese vier Säulen stützen das Dach aus Mission und Vision des Unternehmens.

Nur wer im Sinne einer traditionserhaltenden Erneuerung immer wieder systematisch und kritisch seinen Zustand überprüft und neue notwendige Maßnahmen ergreift, kann sicher sein, dass dieses Haus in den nächsten Jahrzehnten noch immer steht. Familienunternehmer sind also Architekten, die idealerweise stabile Häuser bauen, die von allen vier Säulen gleichermaßen getragen werden und ein übergeordnetes Ziel verfolgen: die gesteigerte Überlebensfähigkeit des Unternehmens. Diese wird zum einen durch den Zusammenhalt innerhalb der Familie und zum anderen durch eine strategische Führung der Familie erreicht – kurz gesagt durch eine Familienstrategie! Wer dabei die Kunst der traditionserhaltenden Erneuerung beherrscht – auf der einen Seite dem Gründerspirit und den Unternehmenswerten treu, auf der anderen Seite neu erfindend – wird auch in der Zukunft Erfolg haben. 

(Quelle: Weissman & Cie. GmbH & Co. KG)

 

Traum vom kapitalmarktfähigen Familienunternehmen

Wann können wir von einem erfolgreichen Familienunternehmen sprechen? „Das bestaufgestellte Familienunternehmen ist das Familienunternehmen, das jederzeit an den Kapitalmarkt gehen könnte, jedoch nicht gehen muss.“ (Quelle: Stiftung Familienunternehmen „Die Kapitalmarktfähigkeit von Familienunternehmen“, 2011) Anders gesagt: Das Familienunternehmen ist geprägt durch Kapitalmarktreife, ohne dass die Anteile zwingend börsennotiert sind. Transparenz, Reporting, Kommunikation, interne Organisation, Größe, gesetzliche Anforderungen, Rating, Rechnungslegung, Finanzkennzahlen, Rechtsform, Bekanntheitsgrad, Liquidität, Corporate Governance, Geschäftsmodell, Industrieumfeld, Zusammensetzung des Managements, Erfahrungen mit Kapitalmarkttransaktionen und Marktumfeld, sind nur einige Kriterien der Kapitalmarktfähigkeit, die zu nennen sind.

Erfolgreiche Familienunternehmen zählen zu ihren Erfolgsfaktoren insbesondere transparente Unternehmensstrukturen, die Sicherung einer qualifizierten Führung und Führungsnachfolge sowie einer qualifizierten Kontrolle der Unternehmensführung, definierte Mitwirkungsrechte der Gesellschafter, festgelegte Rechnungslegung und Gewinnverwendung sowie Maßnahmen zum Erhalt des Unternehmens in Familienbesitz und die Erarbeitung einer Familienstrategie.

 

Autor:
Prof. Dr. Arnold Weissman
Gründer und Gesellschafter Weissman & Cie.
Das Beratungshaus für Familienunternehmen
www.weissman.de
info@weissman.de