Die Digitalisierung schafft neue Finanzierungslösungen für den Mittelstand. Insbesondere Security Token Offerings (STOs) könnten sich langfristig als Finanzierungsinstrument durchsetzen. Derzeit gibt es dabei aber noch einige Hürden.
Dem Mittelstand fehlt das Geld – laut dem Kreditversicherer Euler Hermes besteht bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Europa derzeit eine Finanzierungslücke von 400 Milliarden Euro. Dadurch werden Investitionen, Expansionen und Innovationen erschwert.
Digitale Technologien könnten hier Abhilfe schaffen. Die in letzter Zeit stark gehypte Blockchain Technologie ermöglicht neue Wege, um klassische Finanzierunglösungen auch kleineren Unternehmen zugänglich zu machen. So erfreut sich beispielsweise die Finanzierung mittels Security Token Offerings (STOs) weltweit zunehmender Beliebtheit. Manche sagen sogar, STOs seien die Zukunft der Kapitalmärkte.
Wichtig hierbei ist die Abgrenzung zu den sogenannten Initial Coin Offerings (ICOs), die aufgrund von Betrugsfällen weltweit einen eher zweifelhaften Ruf haben. Bei ICOs handelt es sich nicht um die Emission regulierter Finanzinstrumente, sondern es werden in der Regel Nutzungsrechte für eine IT-Plattform verkauft. Diese Emissionen sind nicht von der Finanzmarktaufsicht reguliert und sind deshalb mit hohen Risiken verbunden. Im Gegensatz dazu benötigen STOs eine Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), denn es handelt sich bei Security Tokens um gewöhnliche Finanzinstrumente.
Eigentlich sind STOs nichts Neues. Dabei wird ein bestimmter Vermögenswert, beispielsweise Eigenkapital oder eine Immobilie, in kleinere Werteinheiten unterteilt, die dann an Investoren ausgegeben werden.
Diese Form der Finanzierung nutzen Unternehmen bereits seit mehr als 100 Jahren. Im Rahmen einer Aktien-Emission werden ebenfalls Bruchteile des Firmen-Eigenkapitals an Investoren verkauft. Der Unterschied liegt allerdings in der dabei verwendeten Technologie. Security Token werden in digitaler Form ausgegeben, wodurch die Kosten der Emission deutlich geringer sind.
Laut einer PWC-Umfrage unter Finanzvorständen betragen allein die Vorabkosten einer klassischen Aktienemission mindestens eine Million US Dollar. Investment-Banken, Anwälte, Börsengebühren –Aktienemissionen sind kostspielig. Dazu kommen die laufenden Kosten, die laut PWC zwischen einer Million und 1,9 Millionen US Dollar liegen – jährlich. Das können sich die meisten Mittelständler nicht leisten.
STOs hingegen sind deutlich kostengünstiger. Eine Investmentbank – der mit Abstand größte Kostenpunkt – wird hierbei nicht mehr benötigt und die Gebühren digitaler Börsen sind wesentlich geringer als die ihrer traditionellen Gegenspieler. Auch die fortlaufende Verwaltung der Emission kann durch Smart Contracts automatisiert werden, was wiederum zu deutlichen Kosteneinsparungen führen kann.
STOs ermöglichen eine relativ kostengünstigen Alternative, um sich Finanzierungsmittel am Kapitalmarkt zu beschaffen. Einige Unternehmen sind diesen Weg bereits gegangen oder gehen ihn gerade, auch in Deutschland. Kürzlich hat die Firma Bitbond das erste von der Finanzmarktaufsicht Bafin genehmigte STO in Deutschland abgeschlossen und konnte dabei 2,1 Millionen Euro einsammeln.
Laut der Schweizer Firma BlockState wurden weltweit bislang 64 STOs erfolgreich zum Abschluss gebracht, mit fast einer Milliarde US Dollar Gesamtvolumen. Das ist im Vergleich zum Aktienmarkt zwar nicht viel, die Entwicklung rund um STOs steht aber auch noch ganz am Anfang.
In der Zwischenzeit hat die Bundesregierung das Potenzial der Token-Ökonomie scheinbar erkannt und arbeitet an einer „Blockchain-Strategie“, die sie noch im Sommer 2019 vorstellen möchte. Dabei geht es unter anderem um regulatorische Fragen, denn das Konzept digitaler Vermögenswerte ist neu und die derzeitige Rechtsprechung muss unter Umständen angepasst werden.
Nachbarstaaten wie Liechtenstein oder die Schweiz haben diese Gesetzeslücken schon früher erkannt. Die Regierung in Liechtenstein hat in diesem Jahr ein Blockchain-Gesetz verabschiedet, dass rechtliche Fragen im Hinblick auf STOs klären soll. Auch die Schweiz versucht mit Blockchain-freundlichen Regulierungen ausländische Firmen anzulocken.
Auf Europäischer Ebene tut sich ebenfalls etwas: Wer in Europa ein Finanzinstrument emittiert – dazu gehören auch Security Token – der muss bei der nationalen Finanzmarkaufsicht einen Wertpapierprospekt einreichen. Erst nach dessen Genehmigung dürfen Security Tokens öffentlich vermarktet werden. Das europäische Wertpapierprospektgesetz wurde nun angepasst.
Demnach können EU-Mitgliedstaaten Security Token Offerings jetzt bis zur Höhe von 8 Millionen Euro ohne Wertpapierprospekt gestatten. Außerdem wurde der sogenannte „EU Growth Prospektus“ eingeführt, ein verkürzter Wertpapierprospekt, der die regulatorischen Anforderungen für KMUs mit bis zu 499 Mitarbeitern lockern soll. Es geht bei dieser Gesetzesänderung also ausdrücklich darum, KMUs den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern.
STOs könnten sich in Zukunft zu einem attraktiven Finanzierungsinstrument für KMUs entwickeln. Noch sind wir an diesem Punkt allerdings nicht angekommen. Derzeit fehlt es vor allem an Rechtssicherheit. Es gibt kaum Gesetze und Regulierungen, die auf digitale Finanzierungsprodukte zugeschnitten sind. Deshalb warten potentielle Emittenten und Investoren derzeit noch ab, wie sich die Gesetzeslage in der Zukunft entwickeln wird.
Außerdem gibt es im Moment noch kaum einen funktionierenden Zweitmarkt für Security Token. Das liegt einerseits daran, dass die dafür notwendige Infrastruktur, zum Beispiel digitale Handelsplätze und regulierte Verwahrstellen, sich gerade erst im Aufbau befindet. Andererseits gibt es bislang kaum Security Tokens, die überhaupt zum Handel auf dem Zweitmarkt zugelassen wurden.
Solange sich dieser Zweitmarkt noch nicht etabliert hat, besteht ein Risiko für Investoren. Kaum jemand will in ein Finanzinstrument investieren, solange keine Klarheit darüber besteht, wann und wie es wieder verkauft werden kann.
Dadurch gehen auch die Emittenten eines STOs ein Risiko ein, nicht nur rechtlich, sondern auch ökonomisch. STOs sind zwar deutlich günstiger als Aktienemissionen, aber auch hier fallen Kosten an, vor allem für Anwälte sowie Vertriebs- und Werbekosten. Wenn sich nicht genügend Investoren finden lassen, dann ist dieses Geld in den Sand gesetzt.
Da die Risiken derzeit noch unkalkulierbar sind, wird es noch eine Weile dauern, bis KMUs verstärkt auf STOs als Finanzierungsinstrument zurückgreifen werden. Sollte der Markt allerdings an Fahrt aufnehmen, dann könnte sich der Security Token schnell etablieren. Genauso wie bei den meisten anderen digitalen Technologien, schreitet die Entwicklung in diesem Bereich rasant voran. In ein paar Jahren könnten STOs in der Mittelstandsfinanzierung durchaus eine zentrale Rolle spielen.
Autor:
Lukas J. Hofer