Chatbots im E-Commerce:
Entwicklung eilt der Akzeptanz voraus

Chatbots im E-Commerce: <br>Entwicklung eilt der Akzeptanz voraus Dunja Koelwel
Dunja Koelwel

Ob Siri, Alexa, Cortana, Jarvis oder Watson – seit einigen Jahren experimentieren Unternehmen  wie Apple, Google, Microsoft, IBM oder Facebook mit künstlicher Intelligenz und der neuen Mensch-Maschine-Schnittstelle Conversational (User) Interfaces, kurz CUI. Eben solange spricht man in unzähligen Berichten von einem „…Paradigmenwechsel, …der Evolution, …der Zukunft“. Dieser Hype hat auch Auswirkungen auf den Handel und den Kundenservice – Chatbots gelten auch hier gemeinhin als nicht zu übersehender Trend, um den gestiegenen Kundenanforderungen nach  immer schnelleren und besseren Service gerecht zu werden. 

Sind Chatbots, also Software-Roboter, die ein Gespräch mit den Kunden ganz oder teilweise übernehmen, die ultimative Antwort für den Handel? Wenn wir den Experten von Gartner glauben dürfen, auf jeden Fall. 2020 würden wir mehr mit Chatbots reden als mit unserem Lebenspartner, prophezeien die renommierten Analysten. Auch die Chatbot-Studie  von 2017 von Unymira, einem Unternehmen,  das den digitalen Wandel und der Digitalisierung entlang der gesamten Customer Journey begleitet, bestätigt den durch Gartner prognostizierten Trend: 85 Prozent der befragten Unternehmen sehen gute Chancen für den Einsatz von Chatbots im Kundenservice und 60 Prozent haben bereits ein Projekt geplant oder gar gestartet. Aber wie stehen die, um die es letztendlich geht, die Kunden, zu dieser Entwicklung?

Geht diese Entwicklung (noch) an  der Kundenakzeptanz vorbei?

„Zu allererst sollte man sich davor hüten, Chatbots nur einzusetzen, weil dies gerade eines der großen Hype-Themen ist. Viel wichtiger ist es, sich im Kontext seines Geschäfts - und wichtiger noch mit der Brille des Kunden gesehen - zu überlegen, was einen Mehrwert bietet“, meint dazu Sven Tissen, Senior Consultant E-Commerce und Digital Workplace bei T-Systems Multimedia Solutions:  Wovon habe ich als Unternehmen etwas, aber auch mein Kunde? Das setzt voraus, dass sich ein Unternehmen mit den Möglichkeiten und Beschränkungen der Technologie auseinandergesetzt hat und seine Prozesse genau kennt. Tissen weiter: „Hat man sich das überlegt, kann man mit dem ersten Anwendungsfall starten und dafür sorgen, dass dieser zu 100 Prozent funktioniert. Es gibt für Kunden nämlich nichts frustrierenderes, als ein Funktionsversprechen, das nicht eingelöst wird. Es gilt: Lieber ein Usecase, der 100 Prozent funktioniert, als 10 Usescases, die zu 50 Prozent funktionieren.“

Denn ob es um Rückfragen, Hilfe bei Buchungen oder Beschwerden geht – für die Deutschen ist es selbstverständlich, das Kundenservice-Angebot von Unternehmen zu nutzen. Den Kunden ist dabei neben einer hohen Fachkompetenz (96 %) und Nutzerfreundlichkeit (90 %) auch die Transparenz darüber wichtig, ob sie von Mensch oder Maschine beraten werden (83 %). Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint, die im Juli und August 2018 durchgeführt und  für die rund 1.000 Personen zum Zusammenspiel von Mensch und Maschine im Kundenservice befragt wurden.

Die BearingPoint Studie zeigt aber auch, dass der Einsatz von automatisierten Kundenservice-Angeboten zwar zunehmend an Relevanz gewinnt, die deutschen Konsumenten Chatbots und virtuellen Ansprechpartnern im Kundenservice aber noch skeptisch gegenüberstehen. So können sich aktuell nur 17 Prozent der Befragten vorstellen, sich ausschließlich von einem intelligenten Kundenservice-Roboter beraten zu lassen, anstatt mit einem Menschen zu reden.

Dies spiegeln auch die weiteren Studienergebnisse wider: Zwar hatten mit 94 Prozent schon fast alle Befragten Kontakt mit dem Kundenservice von Unternehmen. Allerdings gab nur knapp ein Viertel der Befragten an, bereits mit dem Chatbot eines Unternehmens kommuniziert zu haben.

Zu den Gründen warum der Chatbot gewählt wurde, zählt dabei laut BearingPoint vor allem das Bedürfnis nach einer schnellen Antwort: 48 Prozent wählten einen Chatbot, da sie eine direkte Beantwortung außerhalb der Servicezeiten wünschten. 36 Prozent bevorzugten diese Technologie, da sie kürzere oder sogar keine Wartezeiten im Vergleich zu alternativen Kontaktwegen erwarteten. Zufrieden mit dem Chatbot waren 39 Prozent der Befragten. Von denjenigen, die unzufrieden waren, gaben 58 Prozent an, dass der Chatbot ihr Anliegen nicht abschließend lösen konnte oder das Anliegen nicht verstanden hat (52 %). Aus der Gruppe der Befragten, die noch nie mit einem unternehmenseigenen Chatbot zu einem Kundenservice-Anliegen interagiert haben, gab eine große Mehrheit an, einfach lieber mit einem Menschen zu kommunizieren (73 %).

Auch wenn also viele Konsumenten Chatbots gegenüber noch eher kontaktscheu scheinen, zeigt sich sich gleichzeitig auch, dass diese Scheu langsam abnimmt.  Vergleicht man die BearingPoint-Studienergebnisse mit denen des Vorjahres, fällt nämlich auf, dass in fast allen Aspekten die generellen Erwartungen an den Kundenservice gestiegen sind. So bestätigen 90 Prozent, dass ihnen die Nutzerfreundlichkeit wichtig ist. Dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozentpunkte gestiegen. Trotz vieler automatisierter Kontaktmöglichkeiten hätten 77 Prozent zudem gerne direkten, persönlichen Kontakt zu einem Kundenservice-Mitarbeiter und auch die Erwartungen an deren fachliche und soziale Kompetenzen haben sich erhöht. Nur die Notwendigkeit eines Rund-um-die-Uhr-Services ist nicht gestiegen: Für die Deutschen scheint die ständige persönliche Erreichbarkeit eines Unternehmens mit 54 Prozent eher zweitrangig zu sein.

Wie wird sich also die Akzeptanz von Chatbots aus Kundensicht weiterentwickeln? Aus Konsumentensicht sind künftig auch weiterhin vor allem die Bereiche Shopping, Lieferservice und Banking interessant: 35 Prozent der Nutzer haben bereits Produkte wie Lebensmittel oder Kleidung mit Hilfe von Sprachassistenten gekauft. 56 Prozent sind daran interessiert, bei einem Restaurant mit Hilfe eines Sprachassistenten zu bestellen. 44 Prozent würden Sprachassistenten gerne nutzen, um Banküberweisungen zu machen, das ist das Ergebnis der Studie „Conversational Commerce“ der Unternehmensberatung Capgemini Report vom Herbst 2018. Und diese zunehmend positive Einschätzung geht noch weiter: Nutzer, die Sprachassistenten bereits regelmäßig oder einige Male verwendet haben, sind mit der Anwendung sehr zufrieden: Zufriedenheit bei Geldtransaktionen (87 %), Zufriedenheit bei Essensbestellungen (87 %), Produktkäufen (86 %), Taxibestellung (83 %), so Capgemini. Doch einen Fehler sollten Unternehmen dabei niemals machen: „Bei der Arbeit mit KI ist vor allem das Training von Chatbots entscheidend. Es empfiehlt sich, vom Einfachen ins Komplexe überzugehen. Am Anfang sollten Anwendungsfälle wie die Überprüfung des Auftragsstatus oder die Abfrage von Ankunfts- und Abfahrtszeiten stehen, bevor komplexere Themen wie Umbuchungen vom Chatbot angegangen werden“, so Jochen Katz, Director Product Marketing bei Salesforce. „Um die Akzeptanz unter den Kunden zu fördern, sollten Bots klar als digitale Assistenten gekennzeichnet werden. Das schließt aber nicht aus, dass sie eine Persönlichkeit haben, bestenfalls abgestimmt auf die Markenidentität des Unternehmens.“

Autor: Dunja Koelwel ist freie Journalistin in München und Head of Content EXPO und Conferences bei Ebner Media Group.

Das Thema Chatbots und KI wird natürlich auch auf dem diesjährigen Internet World Congress am 23. Und 24. Oktober 2019 in München aufgegriffen. Der zweitägige Kongress deckt alle strategischen Themen des Onlinehandels ab – natürlich auch mit der zunehmenden Verbindung zum stationären Handel – und gibt den Teilnehmern einen umfassenden Überblick über aktuelle Trends und Strategien wie etwa Augmented und Virtual Reality, Künstliche Intelligenz, Shopsysteme, Plattformen, Omnichannel, Mobile etc.  Noch gibt es die günstigen „Frühbuchertickets“ unter www.internetworld-congress.de